Im Bericht über die Obduktion, die ein gewisser Dr. Johann
Wagner am 27. März 1827 an der Leiche des Komponisten Ludwig van Beethoven
vornahm, können wir folgende Details über den Befund seines Gehörorganes
lesen:
"Die Gehörnerven waren zusammengeschrumpft und marklos; die längs
derselben verlaufenden Gehör-Schlagadern waren wie über eine Rabenfederspule
ausgedehnt und knorpelicht. Der linke, viel dünnere
Hörnerve entsprang mit drei sehr dünnen, graulichen, der rechte mit einem
stärkeren, hellweißen Streifen aus der in diesem Umfange viel konsistenteren
und blutreicheren Substanz der vierten Gehirnkammer. Die Windungen des sonst
viel weicheren und wasserhältigen Gehirns erschienen nochmal
so tief und (geräumiger) zahlreicher als gewöhnlich." ( 1)
Kein Zweifel. Ludwig van Beethoven war taub.
Was allerdings die Geschichtsschreibung bisher nur in vorsichtigen Vermutungen
ausführte, ist der Grund seiner Taubheit.
Genaueste Recherchen und das gewisse Quentchen Glück
versetzen mich nun in die Lage, Ihnen in folgendem Aufsatz Aufschluß
über diese Tatsache geben zu können.
Am 26. April 1762 wurde in Wien den Eheleuten Maria und Ernst Fuchs-Schwanz als
elftes und letztes Kind ihr einziger Sohn Friedrich geboren.
Vater Ernst , Organist einer kleinen Kirche nahm sich
der Erziehung und Ausbildung seines Sohnes und Stammhalters besonders liebevoll
an, während die Verantwortung für die zehn Töchter in der Hauptsache der Mutter
Maria oblag.
Bereits mit fünf Jahren konnte der kleine Friedrich lesen und schreiben,
während die Töchter liebevoll von ihrer Mutter auf ihren weiteren Lebensweg als
verheiratete Frauen vorbereitet wurden und sich vornehmlich in der Küchen- und
Handarbeit übten.
Durch den Beruf des Vaters lag natürlich auch ein frühzeitiger Beginn der
musikalischen Erziehung aller Kinder nahe.
Hierbei allerdings tauchten bald die ersten Probleme auf. Während die Töchter
recht nette Stimmen besaßen und hübsch sangen, stellte sich heraus, daß Friedrich gänzlich unmusikalisch war. Wie sehr Ernst
sich auch um die musikalische Ausbildung seines Sohnes bemühte, spätestens das
Hausmusikkonzert vom Juni 1769, in den Tagebuchaufzeichnungen des kleinen
Friedrich erwähnt, bewies, daß er wenig Talent zum
Musiker besaß.
Er schrieb:" Habe heute vor der Mama und dem Papa und den Schwestern
vorspielen müssen, was ich hab gelernet am piano.
Aber faßte immer daneben und wurde recht arg
ausgelacht. Ich bin sehr traurig. Der Papa hat mich geschimpft, aber ich kann
doch nichts dafür..." Offensichtlich hat der kleine Friedrich dabei
bitterlich geweint, denn die Tagebuchseiten zeigen eindeutige Spuren von
Tränen.
Auch in der Folgezeit finden wir keinerlei Hinweise darauf, daß
sich das gebessert hätte.
Im Jahre 1770 zeigt eine Notiz aus Friedrichs Tagebuch, daß
er es nunmehr am Cello versuchte, eine weitere Eintragung, kaum drei Wochen
später, erwähnt eine unerquickliche Übungsstunde an der Blockflöte (" Mein
Mund tut so weh, aber der Papa sagt, ich muß weiter spielen.
Heute waren es vier Stunden, gestern gar sechs...")
Die Mutter versuchte wohl zu vermitteln, wie aus einem Brief an ihre Schwester
Pauline aus dem Jahre 1772 hervorgeht, aber das scheint auf den gestrengen
Vater keinerlei Auswirkungen gehabt zu haben. ( "Wenn ich meinen kleinen
Friedrich so traurig vor dem Notenpult stehen sehe, möchte ich stets ihm über
den Kopf streichen und sagen, macht nichts, dann wirst du eben Schreiner, aber
das darf ich nicht tun, sonst wird Ernst böse")
Daß Friedrich handwerklich wesentlich begabter war
als in der Musik, zeigte sich schon früh. Zum Weihnachtsfest des Jahres 1767 –
mit fünf Jahren also! – hatte er beispielsweise seiner Mutter eine bildhübsche
Laubsäge-Ente geschenkt. Und seinem Vater ein Huhn. Stolz berichtet er in
seinem Tagebuch "Habe heut wider an der kleinen Sehge
geahrbeitet und was fehrtig
gebracht, das die Mama und Papa fräuen wirt."
( Man beachte: Friedrich konnte erst seit wenigen
Monaten schreiben, das vorliegende Zitat zeigt also ein ebenso bemerkenswertes
schreiberisches Talent. Noch vereinzelt vorhandene Fehler in der
Rechtschreibung verlieren sich in der Folgezeit)
Obwohl vom Vater nicht gern gesehen, vervollkommnete
sich Friedrich heimlich immer weiter auf dem Gebiet der Holzbearbeitung. In seinem
Tagebuch führt er akribisch Buch über die weiteren, von ihm angefertigten
Stücke.
Im Jahre 1780 erkrankte Friedrichs Vater schwer an einer Depression. Friedrich
machte sich große Vorwürfe – auch hierüber erfahren wir aus seinem Tagebuch - , aber er konnte seinem Vater nicht helfen. Seine
vergeblichen Versuche, an des Vaters Bett doch das
eine oder andere Flötenkonzert zu geben, um ihn aufzumuntern, scheiterten und
verschlimmerten des Vaters Zustand eher noch. Am 24. Dezember 1781, während
unten in der Wohnstube Friedrich Flöte spielte und seine Schwestern dazu Weihnachzslieder sangen, erhängte sich Ernst Fuchs-Schwanz
auf dem Dachboden seiner Wohnung, wo ihn schließlich seine Frau fand, als sie
wegen der Bescherung nach ihm suchte. Friedrich hatte ihm einen selbst
gedrechselten Taktstock schenken wollen ...
Nach seines Vaters Tod und der entsprechenden Trauerzeit, die die Familie
gemeinsam durchlebte, begann sich Friedrich abzunabeln. Er zog im Sommer des
Jahres 1784 aus und suchte sich in der Wiener Altstadt ein eigenes Zimmer, das
an eine kleine Holzwerkstatt grenzte. Dort vervollkommnete
er binnen weniger Monate seine Fertigkeiten auf dem Gebiet der
Laubsägearbeiten.
Durch den Verkauf seiner selbst hergestellten Dinge – vor allem Enten und
Hühner – sah Fridrich sich bald in der Lage, neben
seiner alten Säge neue Werkzeuge zu kaufen. Das Glanzstück war ein besonders
schöner Fuchsschwanz, den er im Jahre 1791, also knapp fünf Jahre, nachdem er
ausgezogen war, erwarb.
In seinem Tagebuch liest sich das so: "Kaufte heute endlich das lange Sägeblatt , das mir seit Monaten in die Augen stach. Ist
wunderbar gebogen, glänzet und wird mir viel Freude machen."
Dieser Tag mag der Ausgangspunkt der nun folgenden, unerwarteten und doch so
glückhaften Entwicklung gewesen sein.
Friedrich schrieb: "Habe heute entdeckt, als ich das Werkzeug zwischen die
Knie klemmte und den Rand des Sägeblattes entlang fuhr, daß
sich der Säge ein durchdringender, wimmernder Klang entriß.
Was für ein wunderbarer Ton."
In den folgenden Tagen arbeitete Friedrich, wie wir jetzt wissen, nicht.
Er hörte immer wieder diesem bestimmten Klang nach, den er mit seinem Werkzeug
erzeugen konnte. Noch besser ging es, wenn er statt der Finger etwas anderes,
etwa einen Stab nahm. Später erinnerte er sich seines alten Cellobogens und
versuchte es damit.
Den 26.Mai 1794 können die Musikwissenschaftler als den Tag der Erfindung der
Singenden Säge betrachten. Durch die Aufzeichnungen des mittlerweile
32-jährigen Friedrich Fuchs-Schwanz läßt sich dieses
Datum nachweisen:
"Heute habe ich durch unterschiedliches Biegen sogar verschiedene Töne
erzeugen können. Meine Säge singt. Ich fühle mich an meine Schwestern erinnert
und der Papa wäre stolz auf mich."
Die Singende Säge wird von der Musikwissenschaft wie folgt beschrieben:
"Singende Säge ( Friktionsinstrument, aus dem
Franz. "Reibung")
Holzsäge ( Fuchsschwanz), deren Sägeblatt als schwingende Stahlzunge zwischen
den Knien gehalten und mit dem Streichbogen an der Kante angestrichen wird,
wobei die Tonhöhe durch unterschiedliche Biegung des Sägeblattes verändert
werden kann.
Instrument mit durchdringendem, wimmernden Klang in glissandoartiger Tonfolge,
notiert im Violinschlüssel" ( 2 )
Wir sehen, selbst die Beschreibung des Klanges geht zurück auf Friedrichs
Ausdrucksweise in seinem Tagebuch, womit zweifelsfrei nachgewiesen wäre, daß er der Erfinder der Singenden Säge ist.
Nachdem Friedrich im Winter 1794 aus seiner Wohnung ausziehen mußte – seine Vermieter mochten den Klang seines
Instrumentes nicht – fand er recht schnell eine neue Bleibe. Bald hatte er
seine Laubsägearbeiten vergessen und widmete sich fortan seinem Instrument.
Glücklich war er, und nur manchmal betrübt ob der Tatsache, daß
sein Vater diesen so sehr von ihm gewünschten Wandel nicht mehr miterleben
durfte, wie er Weihnachten 1795 seinem Tagebuch anvertraute.
Ihm als einem, der nur zufällig wieder zur Musik zurück gefunden hatte, war
nicht bewußt, wer derjenige war, der über ihm seine
Wohnung hatte. Manchmal hörte Friedrich Klaviermusik, die ihn allerdings noch
immer nicht besonders ansprach, und der Name "van Beethoven" auf dem messingglänzenden Türschild sagte ihm wohl ebenso wenig wie
dem Komponisten Ludwig van Beethoven der Name Friedrich Fuchs-Schwanz etwas
sagen mochte.
Von der Musikgeschichte nachgewiesen ist jedoch Folgendes:
Ludwig van Beethoven erkrankte etwa 1794/96 an einem Ohrenleiden, das in der
Folgezeit zur völligen Ertaubung führte.
Ab 1818 konnte er sich nur noch mittels sogenannter
Konversationshefte mit der Außenwelt verständigen. In einigen von ihnen finden
wir Hinweise auf Friedrich Fuchs-Schwanz, ohne daß
jedoch dieser Fakt die Bedeutung erfahren hätte, die ihm gebührt hätte.
Beethoven schrieb mehrfach, er "höre ein merkwürdiges Geräusch, daß sich ihm schmerzhaft in das
Gehör sägen würde" – Die Ärzte hielten das für eine Form des damals noch
wenig erforschten Tinitus.
Wir wissen es besser. Es war das Instrument des Friedrich Fuchs-Schwanz.
Beethoven starb am 26. März 1827, Friedrich Fuchs-Schwanz folgte ihm wenige Jahre
später, ohne je von seiner Wirkung auf den Gesundheitszustand Beethovens gewußt zu haben.
Beide sind in die Musikgeschichte eingegangen, der eine als großer Komponist,
der trotz seiner Ertaubung noch großartige Musik erschaffen hatte – und der
andere als Erfinder eines großen Instruments, dessen Wirkung auf das
menschliche Gehör zwar bis heute noch nicht 100%ig nachgewiesen ist, aber aus
meinen hier vorliegenden Recherchen ist eindeutig zu schließen, daß es kausale Zusammenhänge zwischen Singender Säge und
Ertaubung gibt.
Quellen:
Tagebuch des Friedrich Fuchs-Schwanz von 1767 bis 1830
(1) Anton Schindler Biografie Ludwig van Beethoven von 1860, Ausgabe von 1988,
Reclams Universal- Bibliothek Band 496
(2) Ferdinand Hirsch Wörterbuch der Musik, Verlag Neue Musik Berlin 1979