Liebesschwüre und mehr - aus dem Computer

Firmenjubiläum, Geburtstag, Heiratsantrag: Mancher Anlass verlangt nach dem richtigen Wort. Die treffende Formulierung zu finden ist aber nicht jedermanns Sache. Deshalb gibt es Auftragsdichter. Einer von ihnen nutzt dabei die Möglichkeiten der Informationstechnologie.

Mit eigenen Programmen zum Computerreim: Auftragsdichter Dominik Heeb.

Dominik Heeb lässt seinen Computer Verse schmieden. Er gibt ein Wort ein, und der Rechner liefert eine Liste mit Reimen. Mit Hilfe des digitalen Hirns kann Dominik Heeb damit Gedichte verfassen, wenn gewünscht auch in Schüttelreimen. Heeb ist ein Auftragsdichter. Wer immer den Wunsch hegt, etwas in geschmiedeten Versen auszudrücken, selbst aber keine Zeilen findet, wendet sich an ihn. Dominik Heebs Dienst nennt sich Cyrano Service, nach Cyrano de Bergerac. Das war jener Galan (in der Verfilmung treffend von Gérard Depardieu gespielt), der sich nicht traute, wegen seiner überlangen Nase einer Dame die Liebe zu gestehen. Ein Freund begehrte die gleiche Frau und bat den wortgewandten Cyrano, in seinem Namen Verse zu schreiben.

Dominik Heebs Kunden sind Verliebte, die nach einem eleganten Liebesschwur suchen. Es kann aber auch die Verwandtschaft sein, die der Oma zum runden Geburtstag ein Ständchen singen will, oder ein Mitarbeiter, der beim Firmenjubiläum sprechen soll. Ein Mann wollte einmal ein Versöhnungsgedicht nach einem Streit mit der Freundin. Ein anderer antwortete mit Versen auf eine Kontaktanzeige.

Stilistisch verfügt Heeb über ein breites Spektrum. Auf Wunsch liefert er einen Rap und beherrscht mehrere Dialekte - neben Baseldytsch und Hochdeutsch auch Züritüütsch und Ostschweizerisch. Eine Kostprobe gefällig? Ein verärgerter Student, der regelmässig vom Finanzdepartement falsch veranlagt wurde, richtete folgendes Schreiben ans Amt:

Sehr geehrte Basel-Städter,
fändet Ihr es nicht viel netter,
wenn ich heute und auch morgen
mich nicht jedesmal müsst sorgen
um Ihr lästig Steuerschreiben
lassen Sie's doch künftig bleiben.
Denn als Wochenaufenthalter
(und zudem Student!), da zahlt Herr
Stutz an Rheines feuchtem Knie
heut' nicht auch künftig nie!

Seine Kunden akquiriert Heeb über das Internet. Die Leute finden ihn über Suchmaschinen oder über spezielle Linklisten. Selbst die grösste deutsche Boulevard-Zeitung hat auf ihrer Homepage einen Link zu http://home.dtc.ch/heeb/cyranoservice. "Keine Ahnung, wie das gekommen ist", sagt Heeb.

Dominik Heeb geht davon aus, dass viele Kunden die Tatsache verheimlichen, dass sie sich ihre Gedichte von einem Profi gekauft haben. Das Copyright gibt er ab: "Die Leute dürfen mit den Texten machen, was sie wollen. Meine Gedichte haben, anders als in der Literatur üblich, einen individuellen Empfänger", sagt Dominik Heeb.

Um seinen Computer literarisch aufzurüsten, hat der hauptberufliche Informatiker in einer zweiwöchigen Aktion alle ein- und zweisilbigen Wörter aus dem Wörterbuch abgeschrieben und mit grammatikalischen Endungen kombiniert. Herausgekommen ist eine Datenbank mit 26'177 Begriffen. Damit kann Heeb rasch herausfinden, dass sich "sein" auf 23 Wörter reimt - von Rhein über Schwein bis Stein. Er hat auch eine Schüttelreim-Datenbank geschaffen ("wahrscheinlich die einzige weltweit"), die für "Birken" 493 Kombinationen meldet.

Ein persönlicher Kontakt zwischen Dichter und Auftraggeber entsteht in der Regel nicht. Die Abwicklung über das Internet ist in Heebs Augen aber keine unpersönliche Angelegenheit. "In der Anonymität offenbaren die Menschen viel mehr Privates", meint Heeb. Der Rechner ist für ihn ein Hilfsmittel, um mit der Enge der vorgegebenen Reim- und Versmasse fertig zu werden. Aber letztlich kommt es in der Poesie darauf an, "die Leute innerlich zu berühren".

(Von Felix Ruhl in der Basler Zeitung vom 27. Dezember 2001, leicht gekürzt; Foto Tino Briner)