Ich war irritiert. So lange mussten wir nun
warten, um zu
wissen, ob der Tumor gut- oder bösartig war!? Das war ja unmenschlich. 
Natürlich war der Bericht gespickt von
lateinischen
fachmedizinischen Ausdrücken. Doch im Zeitalter des Internets ist das
ja kein
Problem, wenn man mehr wissen möchte. Da stand im Bericht:
‚hochgradiges
Gliom‘. Ich gab dies bei Google ein und da kam gleich:
Ohne Behandlung Lebenserwartung 3 Monate.
Ich war schockiert. Natürlich sagte ich Werner
nichts davon.
Ich war so wütend, dass keiner der Ärzte mit uns gesprochen hatte und
sie nur
einfach diesen Bericht mitgegeben hatten. Aber vielleicht war der
Bericht ja
für den Hausarzt bestimmt gewesen. 
Werner hatte den Bericht wohl gar nicht gelesen.
Ob es ihn
nicht interessierte oder ob er unbewusst ahnte, was er beinhaltete?
Jedenfalls
meinte ich zu ihm: „Du bekommst erst in 6 Wochen Bescheid. Aber eine
eventuelle
Behandlung müsste doch sofort beginnen.“ Darauf telefonierte er mit dem
Kantonsspital und teilte seine Bedenken dort mit. Die wollten sich
darum
kümmern.
Alle meine Leute inklusiv 
Werner waren positiv eingestellt und ich wusste nicht, was ich
mit
meinem Google-Wissen anfangen sollte. In unserer Gemeinschaft war
positives
Denken in jeder Situation das Beste, was man tun konnte. Ich fühlte
mich jetzt
ausgeschlossen, denn meine Zweifel wurden immer grösser. Ich war ja
auch
andauernd mit Werner zusammen und beobachtete, wie seine zeitliche und
räumliche Orientierung langsam an Sicherheit verlor. Irgendwann
erzählte ich
meiner Schwester von diesem Google-Resultat. Aber auch sie wollte
nichts
Negatives hören. Ich war am Verzweifeln. Wollte niemand die Realität
wahrhaben.
War ich diejenige, die negativ denkt und so eventuell der Heilung sogar
im Wege
stand? Auf der Internetseite der Krebsliga gab es einen Chat. Das erste
Mal in
meinem Leben meldete ich mich bei so einem Live-Chat und ich redete
rsp.
schrieb fast eine Stunde mit einer Person. Es half mir, meine Ängste
mal
auszusprechen und ernst genommen zu werden. Sie riet mir auch, die
onkologische
Beratung aufzusuchen, was ich aber dann doch nicht tat. Schliesslich
war ich ja
nicht der Patient sondern nur die Angehörige.
Am Freitag nach der Biopsie hatten wir einen schon
zuvor
geplanten Termin beim Hausarzt. Während wir noch im Wartezimmer sassen,
kam ein
Anruf von der Radioonkologie. Wir hätten einen Termin am Montag beim
Chirurgen,
um die Resultate der Biopsie zu besprechen. Es hatte wohl genützt, dass
Werner
angerufen hatte.
„Es geht mir hervorragend“, beantwortete Werner
die Frage
des Hausarztes  nach seinem Wohlbefinden.
Dieser schaute dann fragend zu mir. Werner hatte keine Freude, als ich
dem Arzt
von seinen leichten Verwirrungen erzählte und war etwas verärgert. Dr.
Baumer
fragte mich gleich, ob: „Sind sie im Besitze einer Patientenverfügung?“
Ich
bejahte. Er kontrollierte seine Operationswunde. Sie war sehr schön am
verheilen. Werner musste auch auf die Waage, wo er Mühe hatte, sein
Gleichgewicht zu halten.  Er hatte
ziemlich an Gewicht zugelegt. „Das liegt an den Medikamenten“, meinte
Dr.
Baumer. Er müsse schon aufpassen.
Leider hatte der Hausarzt  keinen
Bericht über die Biopsie vorliegen. Ich
zeigte ihm unseren. Da ich vor Werner nichts von meiner
Google-Recherche sagen
wollte, konnte ich auch den Hausarzt nicht danach fragen. Ich wollte
die
positive Einstellung von Werner nicht zerstören.